Tuesday, January 11, 2011

Kirschen...

…waren schon immer des Schreiberlings Lieblingsfrucht. Freunde und Kenner des rot ummantelten Kernobstes werden mir recht geben, dass sie mit ihrem zartem Stiel und festem, schmackhaftem Fleisch etwas Erhabenes und Würdevolles ausstrahlen. Wenn man die Haut mit gefühlvollem Zahneinsatz knackt und der süße Saft den gierigen Gaumen hinunterrollt, ist das besser als alles andere auf der Welt. Pflaumen zum Beispiel.
Umso mehr freute es mich, dass Elbo für uns beide eine Kirschfarm ausfindig machen konnte, auf der wir drei Tage lang die lieblichen Früchte pflücken durften, uns kiloweise davon selbst in den Schlund schoben und auch noch ein erkleckliches Sümmchen daran verdienten. Die Summe des zu verdienenden Geldes verhält sich beim Farming übrigens direkt proportional zur Masse des gepflückten Obstes. Menschen mit drei und mehr Armen sind eindeutig bevorzugt. Elbo berichtete mir im Vorfeld von sagenumwobenen Kanadiern, denen er bei seinen bisherigen Tätigkeiten begegnet war, die extra nach Australien kamen, um durch Kirschen pflücken ein Vermögen zu machen. Ein jeder von ihnen besaß sechs Arme, mit denen sie durch die Äste pflügten und den bedauernswerten Baum sprichwörtlich vernichteten. Solcherart ausgestattet macht man als Picker dann mal schon 600 Dollar am Tag, und das ergibt nun wahrlich keinen schlechten Stundenlohn.
Unser erstes Hindernis, als wir in der Kirschfarm in Richmond, ca. 30 km nordöstlich von Hobart, anlangten, war mein fehlendes Arbeitsvisum. Selbstverständlich hatten wir uns vorher eine Geschichte zurecht gelegt, die mich um einige Jahre verjüngte und mich bereits über ein Jahr in Australien rumreisen ließ. (Unser Argument lautete also, dass mein Arbeitsvisum abgelaufen war und ich auf Stefans Steuernummer arbeiten wollte.) Mit Chris, dem Farmer, gab es keine Probleme, aber beim abendlichen BBQ anlässlich des 12. Geburtstags der jüngeren Tochter begann Sally, des Farmers Frau und in bürokratischen Belangen etwas fokussierter, überaus investigativ alle anwesenden Picker nach ihrer Vita auszufragen. Wie sich herausstellte, waren sowohl Chris als auch Sally Journalisten, die einfach gerne viele Fragen stellten, aber dennoch reichte es, so zumindest Elbos Kommentar, dass mir des Öfteren der Schweiß auf der Stirn stand, wenn ich von meinen Pflückerfahrungen in Victoria berichten musste, ohne auch nur einen blassen Schimmer von den geographischen Begebenheiten dieser Gegend zu haben. Doch mit der uns eigenen Souveränität gelang es uns, alle konversatorischen Klippen zu umschiffen und unbehelligt und gut genährt ins hartbödige Zelt zu kommen.
Auf der Farm gab es neben diversen Kirschbäumen auch eine interessante Fauna zu bestaunen. Die vorrangigste Absonderlichkeit war ein seltsam gepolter Schäferhund, der in Ermangelung einer Schafherde vier Guineefowls (siehe Foto) als seine Fittiche auserkoren hatte. Offenbar, so erklärte man uns, war das Betreuergen bei diesem Exemplar so fest verwurzelt, dass er unabhängig von Aussehen, Rasse und Gemütsstimmung seiner Fürsorgepflicht nachkam. Die Vögel waren nicht durchweg begeistert. Schließlich wurden sie um fünf Uhr morgens am Gatter in Empfang genommen und danach den ganzen Tag lang über den Hof gescheucht. Hin und wieder protestierte einer der gefiederten Freunde, aber Mags, so der Name des Hundes, zeigte dann nur allzu deutlich, dass er seine Arbeit nicht zum Spaß verrichtete.
Der andere Held des Hofes war ein stattlicher Hahn, der keinen Namen hatte und den wir deshalb Kalle Binias tauften. Dieses Exemplar war eindeutig Chef im Ring, hart im Auftreten aber liebevoll im Geiste. Eine Studie seines Verhaltens bot zudem interessante Quervergleiche zur menschlichen Rasse, denn es zeigte sich, wie entspannt und erhaben man doch den Biotop durchschreitet, wenn man konkurrenzlos alle Chicks seines Harems durchvögeln kann. Und Kalle hatte einige in seinem Harem.
So gab es denn jeden Tag frische Eier, und am Sonnabend, dem Tag der Abreise, schafften es Elbo und ich, zehn davon zu verspeisen. Zusammen mit den sechzig Kilo Kirschen, die wir während des dreitägigen Aufenthalts verputzt hatten, sorgten sie für eine sehr ausgewogene Diät, etwas das man braucht, wenn man so hart arbeitet. Zwei Kilo von den sechzig nahmen wir mit nach Hause, kauften unterwegs eine Flasche Wodka und kreierten abends im Hostel einen neuen Drink namens… jawohl, ganz richtig: Cherry-Vodka. Dazu nehme man ein Schnapsglas, befülle es mit Wodka und lege dann eine Kirsche oben drauf. Die Kreation ist ebenso einfach wie verblüffend. Und vor allen Dingen wirkungsvoll. Der Leser mag sich, um die dabei verspürte Wollust nachzuempfinden, noch einmal die einleitenden Zeilen zu Gemüte führen, insbesondere den Teil, wo die knackende Haut der Kirsche den Saft des Fruchtfleisches freigibt, und diesen Genuss dann imaginativ mit dem dazu rinnenden Wodka kombinieren…

4 comments:

  1. Hallo Guido,
    6-Tage-Rhytmus ist i.O., ansonsten wirds Stress.
    Nach den letzten Kommentaren habe ich eigentlich gedacht, es geht jetzt direkt auf die Nachbarinsel von Bruny Island - nämlich nach .... na? .... genau - nach Bunny Island.
    Aber dort würdest du ohnehin nur das sauer verdiente Geld für unnütze Dinge(r) ausgeben.
    Wenn Du solchen Gefallen (wegen der hohen Nebenverdienstmöglichkeiten) dort findest, was wird dann künftig eigentlich aus Lexxus?
    Viel Spaß weiterhin und ! Schwindeln nur im Notfall. Bleib sauber.

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  3. Vom 21. bis 23.01.11 finden wieder mal die Bezirkspokal-Einzelmeisterschaften statt. Du weisst das ja sicherlich und kannst ja auch über sb-md.de die Teilnehmerliste einsehen. Hat Thomas F. eigentlich Deine Reise in irgendeiner Form (mit)gesponsert? Na ja, vermutlich hat Dir 1 Sieg bei 1 Teilnahme mehr als ausgereicht.
    Schönes Wochenende.

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  4. Hi Rother, ich wollte nur kurz berichten, dass ich nunmehr die Schluesselgewalt Deiner Wohnung an mich gerissen habe!!! Denn nachdem mir klar wurde, dass das Elbe-Hochwasser (ca. 6 m) nicht bis zu dir hochreicht, entschied ich mich Rubin auf rausgabe des schluessels zu draengen. Vor deiner Wohnungstür stehend empfing mich dann ein zettel der Art "der heizungsstandableser war da und konnte sie nicht antreffen" mit einem neuen Termin parallel zum ersten Testspiel der rueckrunde! Um Lutti nicht zu veraergern ließ ich den termin aber platzen! In deiner Bude musste ich mich an den Friedhoefen von Jautzis bierflaschen vorbei zum Fenster durchkämpfen um
    a) das fenster zu schliessen
    b) die Heizung runter hi drehen und
    c) die kaffeekanne zu greifen die nunmehr eine steile Karriere als Gießkanne machte! Allerdings hat sie nicht viele Auftritte da Rubinhos schluesselherrschaft viele Blumen zu Trockenblumen werden ließ! Einzig die Orchidee freute sich ueber das nichtgiessen!

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